Habt ihr heute schon getwittert? Kann man das überhaupt noch? Schließlich hat Elon Musk die Plattform gerade umbenannt. Sie heißt zukünftig nicht mehr Twitter, sondern einfach X. Das verwirrt die Menschen und erschwert die Kommunikation. Dafür gibt es mehrere Gründe. Lasst uns mal einen Blick auf die Umbenennung von Markennamen werfen!
Eine fest etablierte Marke
Die Älteren unter uns erinnern sich noch an diesen Werbespruch: „Raider heißt jetzt Twix – sonst ändert sich nix.“ Dem Hersteller des Schokoriegels gelang es, die Umbenennung seines Produkts zum Kult zu machen. Der Spruch ist ein Beispiel für erfolgreiches Marketing. Bis heute wird er beispielsweise zitiert, wenn es um die Änderung von Markennamen geht. Neulich gab es sogar ein kurzes Raider-Comeback.
Ein solcher Erfolg ist allerdings eher die Ausnahme. Eine etablierte Marke zu ändern, erweist sich oft als sehr schwierige Aufgabe. Der neue Name ist wie ein sprachlicher Neologismus, also ein neues Wort. Die Marke muss erstmal bekannt gemacht werden und das fällt schwer, wenn der bisherige Name wie im Fall Twitter so fest in der Sprache und Wahrnehmung verankert ist.
Formerly known as Twitter
Ein bekannter Musiker versuchte sich mal von seinem Künstlernamen zu verabschieden. Da er dabei sogar soweit ging, seinen Namen durch ein sprachlich nicht erfassbares Symbol zu ersetzen, bezeichneten ihn alle als The Artist Formerly Known As Prince. Ähnliches passiert nun mit der Plattform, die von Twitter zu X werden möchte. Wenn Journalisten aktuell über die Plattform berichten, schreiben sie immer dazu, dass X das bisherige Twitter ist, zum Beispiel beim Spiegel. Sie müssen den Lesern erklären, dass der Buchstabe X (streng genommen geht es um das mathematische Zeichen 𝕏) in diesem Fall weder ein Platzhalter noch ein Symbol zum Schließen eines Fensters ist. Indem sie aber ständig den Namen Twitter dazuschreiben, halten sie ihn am Leben. Auch die Autoren des entsprechenden Wikipedia-Artikels tun sich schwer und nutzen in der Einleitung derzeit eine Zwischenlösung: „Twitter, derzeit im Prozess eines Rebrandings zum neuen Namen X“.
Mit dem Namen Twitter konnte jeder etwas anfangen. Bei X fragen sich die Leute nun eher, was das bedeuten soll. Vom bekannten Namen bleibt nur ein X. Da muss man nicht nur daran erinnern, um welchen Online-Dienst es sich handelt, sondern auch Nachfragen von verwirrten Menschen aufklären. Das macht den Prozess noch aufwändiger.
Wie aus Twitter ein Verb wurde
Die Inhaber einer erfolgreichen Marke bekommen Probleme, wenn das Wort zu einem Gattungsnamen wird. Das passiert, indem Menschen zum Beispiel jedes Taschentuch, egal von welchem Hersteller, als Tempo bezeichnen oder jede Nuss-Nougat-Creme Nutella nennen. Wusstet ihr, dass strenggenommen nicht jeder Haartrockner ein Fön ist? Auch hier handelt es sich sprachwissenschaftlich um ein Deonym.
Noch fester im Sprachgebrauch verwurzelt werden Markennamen, wenn von ihnen sogar ein Verb gebildet wird. Google wehrt sich hartnäckig dagegen, dass man in allen möglichen Suchmaschinen etwas googeln kann. Manche dieser Verben werden sogar in ihrer Bedeutung oder Benutzung noch ausgeweitet. Ein viel kritisiertes Beispiel lieferte der ehemalige französische Präsident Sarkozy, als er unliebsame Menschen aus den Banlieues vertreiben wollte und dies als „kärchern“ (karchériser) bezeichnete. So wurde und wird das vom Hochdruckreiniger abgeleitete Wort rassistisch missbraucht.
Für das Verschicken von Kurzmitteilungen auf Twitter entwickelte sich das Verb „twittern“. Das verbreitete sich ebenso schnell wie die Nachrichten selbst, die auch gerne in den Medien zitiert und in Online-Artikeln eingebunden werden. Schließlich twittern sehr viele Menschen, von Politikern bis zu Privatpersonen. Sie tun das, auch wenn sie nicht wissen, dass es das englische Wort für „zwitschern“ ist (deshalb der Vogel als Symbol der Plattform). Mit Hashtags haben sie sogar große gesellschaftliche Bewegungen wie #MeToo ausgelöst. Wie geht es nun auf X weiter? Kann man da noch twittern? Wenn der Begriff auch nach dem Rebranding zu X erhalten bleibt, wäre das ein klares Zeichen dafür, dass es zu einer allgemeinen Bezeichnung für das Schicken kurzer Nachrichten geworden ist.
Der Zeitpunkt der Umbenennung: unpassend oder genau richtig?
Die große Aufmerksamkeit für die Umbenennung von Twitter zu X und die damit verbundene Aufregung geschehen nicht zufällig. Seit Elon Musk die Firma übernommen hat, agiert er schließlich sehr chaotisch. Mitarbeiter wurden entlassen, Werbekunden vergrault und viele Regeln für die Nutzer geändert. Viele Fans von Kurznachrichten wechselten zu Konkurrenten wie Mastodon. Sogar ein leuchtendes Kreuz als Werbung für den neuen Namen wurde zum kleinen PR-Desaster für Musk. Ist das schwierige und folgenreiche Rebranding also einfach der Tiefpunkt in diesem Chaos? Ein weiterer Satz mit X?
Oder steckt vielleicht eine gute Idee zum richtigen Zeitpunkt dahinter? Experten wie Sascha Lobo berichten, dass Musks X mehr sein soll als das bisherige Twitter, nämlich eine multifunktionale Plattform nach Vorbild des chinesischen WeChat. Die Reduzierung auf einen Buchstaben könnte von Steve Jobs und seinem i (siehe iPhone und iPad) inspiriert sein.
Wir müssen abwarten, was wirklich aus X wird. Ich nutze für Kurznachrichten jedenfalls lieber Mastodon. Das hat seinen Namen übrigens von dem gleichnamigen Mammut.