Lateinische Grammatik

Die lateinische Grammatik enthält viele verschiedene Arten von Deklinationen und Konjugationen. Dazu kommen noch seltsam anmutende Konstruktionen wie der AcI und das Participium coniunctum. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch, dass Latein ziemlich logisch und strukturiert aufgebaut ist. Auf den Unterseiten erhältst du eine grundlegende Einführung in die wichtigsten Regeln.

Verben

Jede Form eines Verbs enthält mehrere Eigenschaften, die etwas über die Aktion aussagen, die das Verb beschreibt. Wie im Deutschen unterscheiden wir im Lateinischen drei Personen (erste, zweite, dritte) und zwar jeweils für Singular und Plural (Numerus). Das Tempus sagt etwas darüber aus, in welcher Zeit oder in welchem zeitlichen Verhältnis sich die Handlung abspielt. Beim Tempus gibt es das Präsens für die Gegenwart, die drei Vergangenheitsformen Perfekt, Imperfekt und Plusquamperfekt sowie für die Zukunft Futur I und II. Außerdem haben Verben einen sogenannten Modus, nämlich Indikativ und Konjunktiv. Als letzte Eigenschaft gibt es schließlich noch die Diathese (Genus Verbi), also die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Handlungen.

Die lateinischen Verben sind in fünf Gruppen eingeteilt: a-, e-, konsonantische, i- und gemischte Konjugation. Grundsätzlich werden die Verbformen gebildet, indem man an den Verbstamm (also das, was vom Infinitiv ohne die Endung -re übrigbleibt) eine Endung für die jeweilige Person anhängt (-o/m, -s, -t, -mus, -tis, -nt). Dazwischen kommen bei manchen Formen zusätzliche Buchstaben, die auf das Tempus hinweisen, z.B. ein -ba- für das Imperfekt oder bo/bi/bu beim Futur.

Einige lateinische Verben halten sich nicht an die üblichen Konjugationsregeln. Das prominenteste Beispiel ist das Verb esse, das sich in den unterschiedlichen Tempora und Modi völlig verändert. Das Wort ferre bildet ebenfalls sehr unterschiedliche Formen, die keinerlei Ähnlichkeit zum Infinitiv aufweisen. Bei den unregelmäßigen Verben muss man also mehrere Formen und abweichende Strukturen lernen.

Während wir normalerweise zwischen Aktiv- und Passivformen unterscheiden, kommen die sogenannten Deponentien nur im Passiv vor und haben die aktiven Formen abgelegt (deponere → ablegen). Allerdings erhalten diese Verben in der Übersetzung eine aktive Bedeutung. So heißt sequi also nicht verfolgt werden, sondern folgen.

Substantive

Wie im Deutschen lässt sich zu jedem lateinischen Substantiv der Kasus (Fall), der Numerus (Anzahl) und das Genus (Geschlecht) bestimmen. Latein verwendet keine Artikel, weil alle Informationen durch die Wortformen mitgeteilt werden.

Zu den vier auch aus anderen Sprachen bekannten Fällen Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ kommt als spezieller Kasus noch der Ablativ. Letzterer umfasst alles, was wir im Deutschen als adverbiale Bestimmungen ausdrücken, also Angaben zu Ort, Zeit, Grund, Instrument und ähnlichem. Anreden stehen im sogenannten Vokativ. Beim Numerus unterscheiden wir die üblichen Formen Singular (Einzahl) und Plural (Mehrzahl). Die lateinische Sprache kennt wie das Deutsche drei Genera, nämlich maskulin (männlich), feminin (weiblich) und neutrum (sächlich). Das Genus kann man oft an der Endung eines Wortes erkennen. Wörter, die auf -us enden, sind meistens maskulin, und solche mit -um am Ende üblicherweise Neutrum, während die femininen Wörter oft ein -a am Ende haben (gilt jeweils für den Nominativ Singular). Allerdings gibt es einige Ausnahmen. Außerdem sind Vergleiche zum Deutschen manchmal gefährlich, wie die Paare sol (m) / luna (f) und Sonne (f) / Mond (m) zeigen.

Substantive haben je nach Kasus, Numerus und Genus unterschiedliche Formen. Im Lateinischen sind die verschiedenen Deklinationen in fünf Gruppen eingeteilt.

  • Fast alle Substantive in der a-Deklination sind feminin.
  • Die o-Deklination umfasst maskuline Substantive und Neutra.
  • Die konsonantische Deklination ist die komplexeste Gruppe. Sie enthält Vertreter aller Genera und umfasst die seltene i-Deklination und gemischte Formen.
  • In der u-Deklination gibt es hauptsächlich maskuline Substantive.
  • Die fünfte Gruppe ist die e-Deklination.

Adjektive

Adjektive werden grundsätzlich genauso dekliniert wie die Substantive. Für jedes Adjektiv gibt es jedoch eine Form für maskulin, feminin und neutrum. Das Adjektiv passt sich nämlich in Kasus, Numerus und Genus dem Substantiv an, das es näher bestimmt; diese Regel nennt man KNG-Kongruenz.

Die Grundform des Adjektivs bezeichnet als man Positiv (schön). Ein Adjektiv kann in zwei Stufen gesteigert werden. Der Komparativ ist die Vergleichsform (schöner) und der Superlativ die höchste Ausprägung (schönste). Die lateinischen Formen werden gebildet, indem man statt der üblichen Endungen -us/-a/-um ein -ior für den Komparativ oder ein -issimus/a/um für den Superlativ anhängt. Die Skala der Schönheit lautet auf Latein also: beatus, beatior, beatissimus/a/um.

Pronomina

Die Pronomina stehen anstelle von Substantiven. Sie erfüllen dabei unterschiedliche Zwecke. Daher unterscheiden wir mehrere Arten von Pronomina.

  • Das Personalpronomen (persönliches Fürwörter) ersetzt ein Substantiv, das eine Person bezeichnet: ich, du, er/sie/es, wir, ihr, sie. Die erste Person nennt den Sprecher einer Aussage und die zweite Person den Angesprochenen, während die dritte Person das Thema bezeichnet.
  • Das Possessivpronomen (besitzanzeigendes Fürwort) zeigt, wem etwas gehört.: mein, dein, sein etc. Es steht wie ein Adjektiv bei einem Substantiv und wird gemäß der KNG-Kongruenz angepasst. Es gibt Formen für maskulin, feminin und neutrum. In der dritten Person werden reflexive und nicht reflexive Formen unterschieden.
  • Das Demonstrativpronomen (hinweisendes Fürwort) verweist auf zuvor genannte Personen. Im Lateinischen bezieht sich hic auf den näherliegenden, letztgenannten und ille den früher genannten Begriff. Eine vergleichbare Unterscheidung gibt es im Deutschen zwischen dieser und jener.
  • Das Relativpronomen (bezügliches Fürwort) wird als Konjunktion in Relativsätzen benutzt und ersetzt den Begriff, von dem der Relativsatz abhängt.
  • Das Determinativpronomen (bestimmendes Fürwort) steht wie ein Artikel bei einem Substantiv. Da es in der lateinischen Sprache keine Artikel gibt, gehören nur zwei Ausdrücke in diese Kategorie: ipse (selbst) und idem (derselbe).
  • Das Interrogativpronomen leitet eine Frage oder einen entsprechenden Nebensatz ein: wer, welcher. Die Formen von uter fragen danach, welcher von beiden Begriffen gemeint ist.
  • Das Indefinitpronomen zeigt, dass der dazugehörige Begriff inhaltlich nicht näher bestimmt ist. Dazu gehören Wörter, die im Deutschen mit irgend- anfangen und Wörter wie nichts und kein. Latein weist eine große Anzahl solcher Pronomina auf.
  • Das Korrelativpronomen vergleicht den dazugehörigen Begriff mit anderen Inhalten: so viel / wie viel etc.

Konjunktionen und Nebensätze

Konjunktionen verbinden mehrere Teilsätze (coniungere – verbinden). Es gibt nebenordnende und unterordnende Konjunktionen. Die erste Art verbindet gleichrangige Sätze oder Wörter. Beispiele sind et (und), vel (oder), quod (weil) und sed (aber). Wir beschäftigen uns hier mit den interessanteren nebenordnenden Konjunktionen, die Haupt- und Nebensatz verknüpfen. Dabei unterscheiden wir verschiedene Arten von Nebensätzen. Nach Nebensätzen geordnet stelle ich Ihnen die wichtigsten lateinischen Konjunktionen vor. Die Aufzählung der Konjunktionen ist nicht vollständig.

  • Bei Temporalsätzen erfolgt die Verbindung auf zeitlicher Ebene (tempus). Die wichtigste Konjunktion ist cum. Das Verb des Nebensatzes steht in temporaler Bedeutung üblicherweise im Indikativ und wird mit als oder (immer) wenn übersetzt.
  • Finalsätze geben den Zweck (finis) einer Handlung an. Die typische Konjunktion heißt ut und wird mit dass oder damit übersetzt. Als negative Form gibt es ne, was also dass nicht oder damit nicht bedeutet. Vorsicht ist allerdings bei Verben geboten, in denen bereits eine negative Bedeutung steckt. In diesen Fällen wird ne wie ut übersetzt. Bei beiden Konjunktionen folgt ein Verb im Konjunktiv.
  • Konsekutivsätze beschreiben die Folge (consecutio) einer Handlung. Sie werden ebenfalls mit der Konjunktion ut gebildet, die mit so dass übersetzt wird und eine Verbform im Konjunktiv verlangt.
  • Kausalsätze liefern den Grund (causa) für eine Handlung. Die häufigsten Konjunktionen quod und quia stehen zusammen mit einem Verb im Indikativ und bedeuten weil oder da. Ebenso ist das vielseitige cum möglich, das genauso übersetzt wird, aber in diesem Fall einen Konjunktiv erfordert.
  • Konditionalsätze zeigen, dass eine Handlung nur unter einer bestimmten Bedingung (conditio) eintritt. Die wichtigste Konjunktion für solche Nebensätze ist si, das wenn oder falls bedeutet. Die dazugehörigen Verben können im Indikativ oder Konjunktiv stehen. Als negative Form gibt es nisi (wenn nicht).
  • Konzessivsätze drücken aus, dass eine Handlung trotz einer Einschränkung zustande kommt, und räumen so einen Gegensatz ein (concedere). Neben quamquam (mit Indikativ) ist auch cum (mit Konjunktiv) als Konjunktion möglich. Beide werden mit obwohl oder während (das in diesem Fall einen Gegensatz ausdrückt) übersetzt.

AcI und NcI

Wie der Name schon sagt, besteht der Accusativus cum Infinitivo (AcI) aus einem Substantiv oder Pronomen im Akkusativ und einem Infinitiv. Diese Konstruktion beschreibt eine Handlung, die einem Verb der Wahrnehmung, der Empfindung oder der Meinungsäußerung und einem unpersönlichen Ausdruck untergeordnet ist. Beispiele für solche Verben sind dicere, videre, audire, putare, gaudere; ein unpersönlicher Ausdruck ist constat. Der AcI ersetzt einen Objektsatz.

Bei der Übersetzung ins Deutsche wird der AcI deshalb meistens durch einen Nebensatz mit dass ersetzt. Eine vergleichbare Konstruktion gibt es im Deutschen nur bei Verben der Wahrnehmung: Er sieht sie kommen. Im Englischen ist es auch mit Verben des Wollens möglich: I want you to know. Eine solche parallele Übersetzung ist nur in wenigen Ausnahmen möglich. In den anderen Fällen müssen wir einen Nebensatz bilden: Puellam in urbem venire puto.Ich glaube, dass das Mädchen in die Stadt kommt. Bei der Übersetzung wird der Akkusativ des AcI also zum Subjekt des Nebensatzes und der Infinitiv zum flektierten Verb des untergeordneten Satzes.

Der AcI kann verschiedene Infinitive benutzen (Präsens, Perfekt, Futur). Dabei ist zu beachten, dass die Zeiten des Infinitivs im deutschen Objektsatz nicht einfach übernommen werden. Sie drücken nämlich nur das zeitliche Verhältnisse der beiden Handlungen aus: Infinitiv Präsens → gleichzeitige Handlung / Infinitiv Perfekt → vorzeitige Handlung / Infinitiv Futur → nachzeitige Handlung

Der Nominativus cum Infinitivo (NcI) ist ähnlich konstruiert wie der AcI. Allerdings steht das Subjekt der untergeordneten Handlung nicht im Akkusativ, sondern im Nominativ. Das übergeordnete Verb erscheint in einer passiven Form und weist in Person und Numerus eine Kongruenz zum Nominativ des NcI auf. Wie beim AcI geht es um Verben des Sagens, des Glaubens oder der Wahrnehmung. Bei der Übersetzung sind neben dem Objektsatz auch Konstruktionen mit sollen oder scheinen möglich: Graeci Troiam expugnavisse traduntur.Es wird überliefert, dass die Griechen Troja erobert haben. oder Die Griechen sollen [nach der Überlieferung] Troja erobert haben.

Participium coniunctum und Ablativus absolutus

Latein hat noch zwei weitere Konstruktionen, die auf den ersten Blick etwas seltsam wirken, nämlich das Participium coniunctum und den Ablativus absolutus. Lateinschülern sind diese Konstruktionen auch unter ihren Abkürzungen PC und Abl abs bekannt.

Beim Participium coniunctum ist ein Partizip mit einem Bezugswort im übergeordneten Satzes verbunden. Das Partizip steht dabei in KNG-Kongruenz zu seinem Bezugswort. Die Konstruktion liefert eine zusätzliche Information. In einem PC können alle Arten von Partizipien verwendet werden. Das Tempus des Partizips wird allerdings in der Übersetzung nicht wörtlich übernommen, sondern gibt an, in welchem Verhältnis die im PC beschriebene Handlung zum Verb des Hauptsatzes steht: Partizip Präsens Aktiv (PPA) → gleichzeitige Handlung / Partizip Perfekt Passiv (PPP) → vorzeitige Handlung / Partizip Futur Aktiv (PFA) → nachzeitige Handlung.

Bei der Übersetzung gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Aussage des Participium coniunctum darzustellen: ein Nebensatz, eine Reihe von Hauptsätzen oder eine Kombination aus Präposition und Substantiv. Für welche Varianten man sich entscheidet, hängt vom Inhalt des Satzes und stilistischen Vorlieben ab.

Der Ablativus absolutus besteht aus einem Substantiv und einem Partizip. Wie der Name schon sagt, stehen beide Bestandteile im Ablativ. Der Ablativus absolutus ist im Gegensatz zum Participium coniunctum nicht so eng mit dem Satz verbunden und nicht von einem Bezugswort abhängig. Außerdem sind nur die Partizipien Präsens und Perfekt, also gleichzeitige oder vorzeitige Handlungen möglich. In manchen Fällen kann die Konstruktion auch aus zwei Substantiven im Ablativ bestehen. Das Partizip fehlt beim sogenannten nominalen Ablativus absolutus. Man kann an dessen Stelle in Gedanken eine Form von „esse“ hinzufügen. Bei dieser Sonderform ist das zeitliche Verhältnis immer gleichzeitig.

Bei der Übersetzung kann der Ablativus absolutus mit ähnlichen Mitteln wie das PC wiedergegeben werden. Bei der Version mit zwei Substantiven kann man auch bei der Übersetzung oft eine Konstruktion mit Substantiven nutzen.

Gerundium und Gerundivum

Diese beiden Formen sind sich zum Verwechseln ähnlich. Aber sie haben unterschiedliche Funktionen, mit denen man sie letztlich doch klar zuordnen kann.

Das Gerundium ist ein substantiviertes Verb. Es verwandelt ein Verb also in das Subjekt oder Objekt eines Satzes. Im Deutschen verwenden wir dazu einfach den Infinitiv (mit großem Anfangsbuchstaben), der entsprechend dekliniert wird. Die englische Entsprechung ist die ing-Form.

Das lateinische Gerundium wird gebildet, indem man an den Wortstamm (Infinitiv ohne -re) ein -nd- und die entsprechende Endung für den Kasus anhängt. Bei Verben der konsonantischen, gemischten und i-Konjugation wird vor dem -nd- noch ein -e- eingefügt. Das Gerundium wird wie ein Substantiv der o-Deklination im Neutrum behandelt. Allerdings gibt es keine eigene Form für den Nominativ; an dessen Stelle wird – wie im Deutschen – der Infinitiv verwendet. Der Akkusativ findet nur zusammen mit der Präposition ad Verwendung.

Die Übersetzung hängt vom Kasus des Gerundiums ab. Beispiel mit Genitiv: Ars legendi beata est.Die Kunst des Lesens ist schön.

Das Gerundivum ist formal fast mit dem Gerundium identisch, hat aber eine andere Bedeutung und eine andere Funktion im Satz. Es drückt aus, dass die Handlung des Verbs ausgeführt werden muss.

Die Formen entsprechen im Wesentlichen denen des Gerundiums. Allerdings hat das Gerundivum eine eigene Form für den Nominativ und eigene Formen für die drei Genera. Es steht immer in KNG-Kongruenz zu seinem Bezugswort. Häufig bildet das Gerundivum zusammen mit einer Form von esse das Prädikat des Satzes. Das Prädikat sagt in diesem Fall, dass etwas getan werden muss oder – bei einer Verneinung – nicht getan werden darf. Nach Verben wie dare oder committere zeigt das Gerundivum, warum etwas gegeben oder anvertraut wird. Beispiel: Femina amanda est. Die Frau ist zu lieben / muss geliebt werden.

Weitere Informationen im Netz

  • Gottwein: Lateinische Grammatik – Der Lehrer Egon Gottwein stellt die lateinische Grammatik ausführlich dar.
  • Wikipedia: Lateinische Grammatik – Der Enzyklopädie-Artikel fasst die Inhalte zusammen.
  • Frag Caesar – „Caesar“ kennt zu jeder Vokabel die Übersetzung und die komplette Deklination bzw. Konjugation.
  • Konjugator – Trotz des Namens kann der Konjugator nicht nur Verbformen, sondern auch Deklinationen erkennen.