Spracherwerb

Der Spracherwerb beschreibt, wie wir anfangen, in unserer Muttersprache zu sprechen oder eine Fremdsprache lernen. Vor allem die Anfänge in der Kindheit sind dabei besonders interessant.

Sprache ist speziesspezifisch für den Menschen, d.h. jeder Mensch kann problemlos in seiner Muttersprache kommunizieren. Dabei lernt er die Sprache nicht wie z.B. Mathematik oder Autofahren. Deshalb spricht man auch nicht vom Lernen einer Sprache, sondern vom Spracherwerb. Unterscheiden muss man dabei zwischen Erst- und Zweitspracherwerb. Letzterer bezieht sich auf eine von der Muttersprache verschiedene, also eine Fremdsprache. Im folgenden beschäftige ich mich allerdings mit dem interessanteren Erstspracherwerb.

Wie erlangen neugeborene Kinder die Fähigkeit, ihre Muttersprache zu benutzen? Für diese schwierige Frage gab es in der Geschichte der Linguistik (Sprachwissenschaft) verschiedene Erklärungsansätze, die aber später widerlegt werden konnten. Eine Theorie besagte, dass die Kinder einfach die sprachlichen Äußerungen ihrer Umgebung nachahmen. Dagegen spricht aber, dass unendliche viele Sätze gebildet werden können, auch ohne diese vorher gehört zu haben. Außerdem können ungrammatische Formen so nicht erklärt werden. Eine andere Erklärung basierte darauf, dass Kinder bei richtigen Äußerungen bestätigt und bei falschen korrigiert werden. Dagegen spricht die Tatsache, dass die Kinder zwar erfahren, dass sie etwas falsch gesagt haben, aber nicht was (Fehlen negativer Evidenz).

Eine passende Erklärung lieferte in den 1960er Jahren der berühmte und einflussreiche US-amerikanische Linguist Noam Chomsky vom Massachussetts Institute of Technology (MIT) in Cambrigde, MA. Der zentrale Begriff seiner Theorie ist die Universalgrammatik. Damit bezeichnet er ein jedem Menschen angeborenes System von Prinzipien und Parametern. Die Prinzipien sind grundlegende Regeln, die für alle natürlichen Sprachen gelten. Die Parameter hingegen sind sprachspezifische Möglichkeiten, die anhand des angebotenen Inputs ausgerichtet werden. Ein Prinzip lautet beispielsweise, dass jede Phrase einen Kopf besitzt, und die Parameter entscheiden, ob der Kopf links oder rechts steht (was die Begriffe im Einzelnen bedeuten, ist an dieser Stelle nicht so wichtig).

Dadurch ist auch verständlich, warum jeder Mensch seine spezielle Muttersprache erwirbt. Der Spracherwerb ist also abhängig davon, was in der Umgebung an sprachlichem Datenmaterial (also Input) vorhanden ist. Nach dem Hier-und-jetzt-Prinzip beziehen sich die sprachlichen Äußerungen der Kinder zuerst auf ihre unmittelbare Umgebung. Die Universalgrammatik erklärt auch die unbegrenzte Kreativität der natürlichen Sprachen; denn jeder Mensch ist grundsätzlich in der Lage, unendlich viele Sätze zu produzieren und zu verstehen, auch wenn er diese vorher noch nie benutzt oder gehört hat.

Grundlegend für diese Vielfalt sind die Rekursivität der Syntax (Sätze können nach einem gleichbleibenden Schema beliebig erweitert werden) und die Möglichkeiten, mittels Komposition (Zusammensetzung) und Derivation (Ableitung) neue Wörter zu bilden. Das faszinierende und interessante Phänomen des Spracherwerbs liefert somit grundlegende Kenntnisse für die Erforschung der Sprache.

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