Sprachtypologie

Die Sprachtypologie beschäftigt sich damit, die zahlreichen Sprachen der Welt zu ordnen. Derzeit gibt es weltweit nach aktuellen Schätzungen rund 6500 verschiedene Sprachen. Diese Vielfalt versuchen Linguisten in den Griff zu bekommen, indem sie die Sprachen vergleichen und klassifizieren.

Dabei fassen sie verwandte Sprachen zu Familien zusammen. Die bekannteste dieser Sprachfamilien ist das Indogermanische (in der englischsprachigen Fachliteratur meistens als „Indo-European“ bezeichnet). Dies überrascht nicht angesichts der Tatsache, dass Englisch und die meisten anderen europäischen Sprachen dieser Familie angehören. Viele Forscher nehmen leider immer ihre eigenen Sprache als Grundlage, getreu dem Motto: „Take any language, for instance English.“ Das Indogermanische wurde im 19. Jahrhundert entdeckt, als man lateinische und griechische Texte mit Sanskrit verglich und deren Verwandtschaft feststellte.

Die Unterfamilien des Indogermanischen sind Germanisch, Italisch (Latein), Hellenisch (Griechisch), Keltisch, Hittite und Tocharisch sowie Balto-Slawisch, Albanisch, Armenisch und Indo-Iranisch. Nach dem lateinischen bzw. iranischen Wort für „hundert“ werden die ersten sechs als Centum-Sprachen, die restlichen als Satem-Sprachen bezeichnet. Die germanische Sprachfamilie verzweigt sich weiter in West-, Nord- (Skandinavisch) und Ost-Germanisch (Gotisch). Das Westgermanische unterteilt sich wiederum in Hoch- und Niedergermanisch. Aus der ersten Gruppe entstanden das heutige Hochdeutsch und das Yiddische, aus der zweiten Englisch, Niederländisch, Plattdeutsch und Friesisch. Die wichtigste und schönste Varietät der deutschen Sprache ist das Kölsch. Aus der italischen Sprachfamilie und damit dem Lateinischen gingen die sogenannten romanischen Sprachen Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch hervor.

Eine weitere für Europa wichtige Sprachfamilie, die jedoch nicht mit dem Indogermanischen verwandt ist, ist die finno-ugrische Familie, dessen wesentliche Vertreter das Finnische und das Ungarische sind. Linguistische Anfänger überrascht die Tatsache, dass das Finnische enger mit dem geografisch weit entfernten Ungarischen als mit dem Schwedischen oder Norwegischen verwandt ist. Als isolierte Sprache hat sich zudem das Baskische in Spanien erhalten.

Grundlegend für diese Entwicklung ist die Tatsache, dass sich die Sprache in einem ständigen Wandel befindet. Durch veränderte Lebensumstände und Kontakte zwischen einzelnen Sprachen können neue Varianten entstehen und andere verloren gehen. Deshalb ist es auch schwierig, eine Sprache in ihrem gegenwärtigen Zustand (also in der synchronen im Gegensatz zur historisch orientierten diachronen Betrachtung) zu untersuchen. Heiß diskutiert wird bis heute die Frage nach einer möglichen Ursprache, von der alle heutigen Sprachen abstammen (sollen). Als Ursprung der menschlichen Sprache wird von den meisten Forschern die Region des Kaukasus angesehen.

Man kann Sprachen jedoch nicht nur nach ihrer historischen Entwicklung klassifizieren, sondern auch nach Verwandtschaften bezüglich der grammatischen Struktur. So gehört beispielsweise das Deutsche zu den flektierend-fusionierenden Sprachen, die mehr oder weniger komplexe grammatische Funktionen durch Flexion (Beugung) ausdrücken. Bei agglutinierenden Sprachen wie dem Türkischen hingegen gibt es für jede Kategorie ein Affix (Vorsilbe, Endung); diese werden nacheinander an den Wortstamm angefügt. Bei isolierenden Sprachen werden die grammatischen Funktionen durch alleinstehende Hilfswörter ausgedrückt. Das Englische hat sich im Laufe seiner Geschichte immer mehr in diese Richtung entwickelt. Kompliziert – aus deutscher Sicht – sind die polysynthetischen Sprachen (z.B. bei indigenen Völkern Nordamerikas), bei denen es oft schwierig ist, zwischen Satz und Wort zu unterscheiden.

Nach welchen Kriterien man die Sprachen der Welt klassifiziert, ist letzlich zweitrangig. Wichtiger ist es, die Vielzahl von Sprachen möglichst vollständig zu erfassen, denn nach Meinung vieler Wissenschaftler wird sich ihre Anzahl innerhalb des nächsten Jahrhunderts drastisch verringern. Für manche Sprachen gibt es nur noch zwei oder drei Sprecher. Bevor man sie untersuchen kann, muss man die Sprache also zuerst erhalten.

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