Mit der Lüge stirbt die Wahrheit

Die Lüge beschädigt die Wahrheit und die Glaubwürdigkeit. Das wusste schon der römische Dichter Phaedrus. Aus seiner Fabel Lupus et Vulpes Iudice Simio stammt nämlich ein Satz, der das Problem auf den Punkt bringt: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“ Lügen können uns auf mehreren Ebenen negativ beeinflussen. Sie erschweren den persönlichen Umgang auf privater Ebene, sorgen für Probleme in der Politik und Wirtschaft und können im schlimmsten Fall Leben kosten. Welche Arten von Lügen gibt es? Was haben sie mit Fälschungen, Verschwörungstheorien und Fake News zu tun? Wie kann man sie erkennen und im besten Fall verhindern? Darum geht es in diesem Beitrag.

Von Konstantin bis Trump: Berühmte Lügen aus der Geschichte

Der Ritt auf der Kanonenkugel war eine berühmte Lüge des fiktiven Barons von Münchhausen.

Ein Blick zurück in die Geschichte bietet vielfältige Eindrücke, was große Lügen anrichten können.

  • Im Jahr 315 stellte der römische Kaiser Konstantin I. dem damaligen Papst Silvester I. angeblich eine Urkunde aus, die den Päpsten geistliche Herrschaft und auch politischen Einfluss über Rom und das weströmische Reich gab. Die Urkunde war jedoch gefälscht und ging als Konstantinische Schenkung in die Geschichte ein.
  • Dieses frühe Beispiel zeigt schon, dass es bei der Lüge in großem Maßstab meistens um Macht und Einfluss geht. So kassierte die katholische Kirche später auch viel Geld, indem sie behauptete, man könne sich mit der Zahlung vor dem Fegefeuer retten. Martin Luther nutzte die Kritik an diesem Ablasshandel als Grundlage für seine Reformation.
  • In neuerer Zeit wurden Lügen auch als Vorwand für verheerende Kriege genutzt. „Die Glaubwürdigkeit ist dabei gleichgültig, im Sieg liegt das Recht.“ Mit diesen Worten beschrieb Adolf Hitler die Vorgänge rund um den vorgetäuschten Überfall auf den Sender Gleiwitz, der als Vorwand für den Einmarsch in Polen diente. Damit begann der Zweite Weltkrieg.
  • Anfang der 2000er Jahre erfand die US-Regierung um George W. Bush unter dem Eindruck des 11. September 2001 eine angebliche Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen, um den Krieg im Irak zu beginnen.
  • Ziemlich schnell als Lüge überführt wurde eine weitere Behauptung in der deutschen Politik. Am 15. Juni 1961 sprach der DDR-Politiker Walter Ulbricht seinen berühmtesten Satz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ Knapp zwei Monate später, am 13. August, begann der Bau der Berliner Mauer.
  • Nicht nur eine, sondern tausende Lügen wurden dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump nachgewiesen, der trotzdem eine Rückkehr in das Amt anstrebt.
  • Auch heute nehmen es einflussreiche Menschen oft nicht so genau mit der Wahrheit.

Was ist eigentlich eine Lüge?

Bevor ich zu eher privaten und persönlichen Lügen komme, sollten wir uns mal den Begriff an sich genauer ansehen. Was genau ist eigentlich eine Lüge und wie unterscheidet sie sich von anderen zweifelhaften Erscheinungen?

Die Wikipedia bezeichnet sie als „eine Aussage, von der der Sender (Lügner) weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der Empfänger sie glaubt“. Der Duden beschreibt sie als „bewusst falsche, auf Täuschung angelegte Aussage; absichtlich, wissentlich geäußerte Unwahrheit“. Da haben wir schon mal ein paar wichtige Elemente. Lügen enthalten falsche Aussagen und Lügner verbreiten diese Aussagen absichtlich, mit vollem Bewusstsein.

Etymologisch können wir feststellen, dass das Verb „lügen“ sehr alt ist. Es geht auf germanische Wurzeln zurück und ist in verwandten Sprachen und Vorgängern des Deutschen ähnlich zu finden. Der germanische Ursprung „leuga“ lässt auch eine Verwandtschaft zum Verb „leugnen“ erkennen, das ja ebenfalls mit dem Thema Wahrheit zu tun hat. Die Brüder Grimm bringen „lügen“ in ihrem berühmten Wörterbuch in Verbindung mit dem verhüllenden Schleier einer Braut. Lügen mit Ehe verknüpfen? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Was unterscheidet die Lüge von anderen Täuschungsmanövern?

Damit kommen wir nun zum zweiten Teil der oben gestellten Frage. Worin unterscheidet sich die Lüge von ähnlichen Phänomenen?

  • Ein Irrtum hat mit ihr gemeinsam, dass in beiden Fällen objektiv falsche Aussagen getroffen werden. Allerdings geschieht das beim Irrtum versehentlich, aus mangelhaftem Wissen. Hier fehlt also die vorhin erwähnte Absicht.
  • Eine Fälschung ist ebenfalls nicht echt und entspricht nicht der Realität. Dieser Begriff bezieht sich jedoch eher auf Dokumente oder Gegenstände. Die bereits erwähnte Urkunde der Konstantinische Schenkung ist ebenso ein gefälschtes Dokument wie zum beispielsweise gefälschte Reisepässe, die Betrüger nutzen.
  • Da ist schon das nächste Wort. Betrug ist erstmals jede umfangreichere Täuschung, die über eine einzelne Lüge hinausgeht. Im juristischen Sinne wird es in §263 StGB spezieller auf einen „rechtswidrigen Vermögensvorteil“ bezogen.
  • Ebenfalls ziemlich komplex ist die Propaganda. Dabei wird mit einer Mischung aus Halbwahrheiten, Lügen und Meinungsmache gearbeitet, um Gruppen von Personen oder die ganze Gesellschaft zu manipulieren. Besonders häufig zu finden ist sie in der Politik und vor allem im Krieg, wo die Wahrheit bekanntlich zuerst stirbt.
  • Die Verschwörungstheorien sind umfangreiche Lügenkonstrukte, die historische Ereignisse wie die Mondlandung oder 9/11 in Zweifel ziehen oder wie im Fall der antisemitischen Fälle Personengruppen diskreditieren sollen.
  • Dann wäre da noch der Euphemismus. Beim Schönreden geht es nicht direkt um Lügen in dem Sinne, dass falsche Aussagen verbreitet werden. Die Tatsachen werden dabei sprachlich so verpackt, dass sie positiver klingen, als sie in Wirklichkeit sind.

Auch persönliche Lügen haben kurze Beine

Wie die Nase des Mannes, so … seine Lügen.

„Er lügt, dass sich die Balken biegen, nur um dich ins Bett zu kriegen. Und dann am nächsten Morgen weiß er nicht einmal mehr, wie du heißt.“ Die Ärzte stellen in ihrem Song Männer sind Schweine die eigene Spezies ziemlich negativ dar. Der Mann belügt die Frau, um sie zum Sex zu bewegen. Da sehen wir zwei Funktionen, die die Lüge im persönlichen und privaten Umgang miteinander haben kann. Der fiktive Mann in dem Liedtext stellt sich positiver dar, als er ist, und versucht sich durch die Täuschung einen Vorteil zu verschaffen. Zugleich deutet der zweite Satz des Zitats an, wie schnell solch ein Lügenkonstrukt zusammenbrechen kann.

Wenn die Lügen aufgedeckt werden, sorgt das für negative Gefühle. Schließlich kommt dann die unerfreuliche Wahrheit ans Licht. Wer wirklich ein guter, freundlicher, positiver Mensch ist, braucht sich nicht in einem Lügengebäude zu verstecken und hat es auch nicht nötig, anderen mit Lügen zu schaden. Es ist ja kein Zufall, dass sich die Menschen in einer Beziehung vor allem Ehrlichkeit und Vertrauen wünschen. Oder um es mit den Backstreet Boys zu sagen: „Quit playing games with my heart!“

Manche Menschen bauen übrigens ihre ganze Existenz auf falschen Tatsachen auf. In diesem Fall sprechen wir von einer Lebenslüge.

Positive Erscheinungen von Notlügen bis zur Satire

Es muss aber nicht immer schlimm sein, wenn man sich abseits der Wahrheit bewegt. Da wäre zum Beispiel die Notlüge. Wir benutzen dieses Flunkern, wenn wir höflich sein oder eine andere Person nicht durch zuviel Ehrlichkeit emotional verletzen wollen. Wir sagen „Schön, dass du da bist“ oder „Kein Problem“, auch wenn wir vielleicht in Wirklichkeit eher etwas genervt sind.

Jemanden etwas vorzutäuschen, kann auch Spaß machen. Denkt nur an die mehr oder weniger lustigen Aprilscherze. Von Satire leben ganze Fernsehsendungen und Magazine wie Der Postillon. Solange dabei niemand ernsthaft oder bösartig angegriffen wird, ist sowas natürlich akzeptiert.

Rettet die Wahrheit! So entlarven wir eine Lüge

Jetzt habe ich viel darüber geschrieben, wie Lügen aussehen und wie sie funktionieren. Aber gerade in der heutigen Zeit ist es umso wichtiger, Lügen zu durchschauen und die Wahrheit zu erkennen.

Ein Lügendetektor kann die Lüge nicht zuverlässig erkennen.

Um das zu schaffen, experimentierten mehrere Forscher mit einem technischen Gerät. Wer den Lügendetektor erfunden hat, ist etwas unklar. Da werden Namen wie Vittorio Benussi oder der auch als Erschaffer von Wonder Woman bekannte William Moulton Marston genannt. Jedenfalls erfreuten sich solche Geräte, wissenschaftlich Polygraph genannt, großer Beliebtheit. Mit der Messung des Pulswertes oder durch Schwitzen veränderten Hautwiderstands sollten Lügner überführt werden. Allerdings ist das schwieriger, als es diese Geräte vermuten lassen.

Viel hilfreicher ist eine gut ausgebildete Medienkompetenz. Der schon aus der NS-Zeit bekannte Kampfbegriff „Lügenpresse“ ist vor ein paar Jahren wiederauferstanden. Aber die Lügner sitzen nicht in den Medienhäusern, sondern in den Reihen der AfD und anderer extremer Gruppierungen. Gerade diejenigen, die anderen Lügen unterstellen, produzieren besonders gerne Fake News. Da hilft es dann auch wenig, sein eigenes Netzwerk wahrheitswidrig als Truth Social zu bezeichnen.

Aber wie durchschauen wir die Lügen jetzt? Wir fangen mit dem gesunden Menschenverstand an. Etwas klingt zu schön, um wahr zu sein? Dann ist es wahrscheinlich auch nicht wahr.

  • Völlig übertriebene, spektakuläre Darstellungen sollten uns skeptisch machen.
  • Von Artikeln, die plumpe Clickbait-Überschriften wie „Diesen Trick müssen Sie kennen“ nutzen, lassen wir besser die Finger weg.
  • Einseitige Darstellungen sind auch meistens problematisch.
  • Wer schnell einen Sündenbock als Erklärung findet, dem ist kaum zu trauen.
  • Außerdem müssen wir auf seriöse Quellen achten. Woher kommen die Informationen? Ihr wisst schon: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
  • Wer hat etwas gesagt und warum? Finden wir auch in anderen Medien Beiträge zum jeweiligen Thema?

Last but not least hilft es, Seiten wie Mimikama und anderen Faktchecker-Angeboten zu folgen, die über Lügen in den Medien aufklären.

„Wenn Du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das, was übrig bleibt, die Wahrheit, wie unwahrscheinlich sie auch ist.“
Sherlock Holmes