Bekannte deutsche Wörterbücher wie der Duden oder Grimms Wörterbuch umfassen hunderttausende Begriffe und der gesamte Wortschatz der deutschen Sprache geht einschließlich Fachbegriffen in die Millionen. Der Wortschatz eines einzelnen Menschen schwankt je nach Alter, Interessen und Bildungsstand, umfasst aber auch eine mindestens vierstellige Anzahl von Wörtern. Manche Wörter benutzen wir häufig und mit einigen verbinden wir besondere Geschichten, vor allem wenn sie unsere Kindheit und Jugend geprägt haben.
An diesem Punkt setzt ein sehr unterhaltsames Buch an, das ich zuletzt gelesen habe. Der Autor Norbert Golluch sammelt in Worte der Kindheit einzelne Wörter und auch typische Sätze, von denen Kinder in verschiedenen Jahrzehnten von 1950 bis zur Gegenwart geprägt wurden. Beim Lesen gibt es zahlreiche Aha-Erlebnisse. Ein paar Beispiele:
- In den 50ern wurde man mit dem Klammerbeutel gepudert, genoss den Toast Hawaii, hatte Angst vor dem Buhmann und wollte weder eine Schlafmütze noch ein Tunichtgut sein.
- In den 60ern sprachen Halbstarken von Wuchtbrummen, während der Vater zum Frühschoppen ging. Auf dem Speiseplan standen der Falsche Hase, der Arme Ritter und der Kalte Hund, bevor man die Kalorien beim Dauerlauf loswurde, wenn man kein Gammler war.
- In den 70ern konnte ein Landstreicher mit Moonboots herumlaufen. Gummitwist war angenehmer als Kabelsalat und weder Leckmuscheln noch Flutschfinger hatten etwas mit Pornos zu tun. Niemand wollte Eumel, Petze oder Tussi sein.
- In den 80ern sorgten Vokuhila und Hochwasser in der Mode und Kinder in Afrika beim Essen für Aufregung. Beim Nachsitzen stand der Ranzen neben dem Schüler, der vielleicht mehr in den Beinen als im Kopf hatte.
- In den 90ern wurden Diddl und Tamagotchi gepflegt, alles null Problemo. Probleme gab es eher mit dem Internetanschluss oder dem Diaabend.
- Als zeitlos stuft der Autor u.a. Möhren für die Sehkraft, Säcke vor den Türen und Hempels Sofa ein. Das Leben ist kein Wunschkonzert, auch wenn man das Zauberwort sagt und nicht dumm fragt. Der Rest vom Schützenfest ist so kläglich wie das Leiden für die Schönheit und die Zeit, die vergeht, bis wir endlich da sind. Dass früher alles besser war, versteht sich von selbst.
Zwei Höhepunkte des Buches sind die recht ausführlichen Beschreibungen zur Benutzung eines Plumpsklos samt Zeitungspapier und einer klassischen, gelben Telefonzelle. Wer Spaß an Sprache und Zeitgeschichte hat, kann sich mit dieser Zusammenstellung gut unterhalten.
Lizenzen zu den Fotos aus der obigen Collage
Leckmuscheln: Ra’ike (see also: de:Benutzer:Ra’ike), Schleckmuscheln – multi-colored, CC BY 3.0
Plumpsklo: Neitram, Plumpsklo, CC BY-SA 3.0
Telefonzellen: Juergen Rosskamp, jr+wiki@datengrab.org, Telefonzellen, CC BY-SA 2.0 DE
Gummitwist: Werner 19:14, 1 October 2007 (UTC), Gummitwist-1998Kinder2, CC BY-SA 3.0
Dias: Runner1616, Slide frames, CC BY-SA 3.0