So oft sitzen wir – sprachlich gesehen

Du sitzt wahrscheinlich gerade irgendwo, während du diesen Beitrag liest, egal ob auf dem Stuhl, dem Sofa oder auf der Wiese. Denn wir sitzen meistens, wenn wir nicht in Bewegung sind. Aber wusstest du, dass aus diesem einfachen Wort für eine Körperhaltung ein umfangreiches Wortfeld entstanden ist? Das zeige ich euch mit einer kleinen, fiktiven Geschichte.

Wir können fast überall sitzen, egal ob auf dem Sofa oder am Meer.

Eine Sitzung im Gericht

„Wir können das auch aussitzen!“ Mit diesen Worten wandte sich der vorsitzende Richter Müller drohend an den Angeklagten. Hoffmann saß in der Klemme. Er wurde beschuldigt, als Chef eines großen Pharmakonzerns mit Firmensitz in Norddeutschland Millionen an Steuern hinterzogen zu haben. Doch der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Firma deckte die illegalen Aktivitäten auf. Hoffmann wollte die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und versuchte, den Hauptzeugen als unglaubwürdig darzustellen: „Dem Schmitz können sie doch nichts glauben! Der hat öfter mal einen sitzen.“ Dann stand er auf und wandte sich direkt an seinen ehemaligen Kollegen: „Wie kannst du mich nur so sitzen lassen? Ich hab mich damals so sehr dafür eingesetzt, dass du den Sitz im Aufsichtsrat bekommst!“

Doch die Worte verfehlten ihre Wirkung, denn Schmitz saß ungerührt da wie Sitting Bull: „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!“ Müller mit seinem guten Sitzfleisch ließ sich ebenfalls nicht beeindrucken. Er hatte alles so gut im Blick wie der Jäger auf seinem Hochsitz. Auch ohne Geständnis des Angeklagten saß er am längeren Hebel. Nach einer abschließenden Beratung mit seinen Beisitzern verkündete er das Urteil. Hoffmann würde in Zukunft eine lange Haftstrafe absitzen und sein teures Büro gegen eine unbequeme Sitzgelegenheit im Gefängnis eintauschen.

Wie wir sitzen bleiben

Nach der Sitzung im Gerichtssaal musste Müller noch seine Teenager-Tochter abholen. Hannah war heute in der Schule zum Nachsitzen verdonnert worden. Dadurch hatte sie den Bus verpasst und hockte im Schneidersitz an der Haltestelle. „Ich sitze hier fest!“, hatte sie am Telefon geklagt. Als der Vater ankam, reagiert er mit ähnlich eindringlichen Worte wie zuvor im Gerichtsprozess: „Hannah, du jammerst darüber, wie du hier auf dem Trockenen sitzt. Aber wenn du in der Schule so weitermachst, wirst du irgendwann sitzen bleiben, und zwar nicht nur an der Haltestelle.“

Während sich Hannah auf den Beifahrersitz des Zweisitzers sinken ließ, versuchte sie eine Erklärung: „Ja, ich weiß. Aber ich war heute so müde vom Babysitting.“ – „Keine Ausrede, Hannah! Du musst die Vokabeln üben. Die müssen einfach sitzen.“ Auch hier zeigten Müllers Worte Wirkung. Er merkte: Das hat gesessen!

Alles sitzt wie angegossen

Ein paar Tage später hatte Hannah alle Vokabeln im Kopf. Jedes Wort hatte seinen festen Platz, wie die Schüler mit der Sitzordnung im Klassenraum. Nun durfte sie mit ihren Freunden zum Volleyball gehen. Aber heute stand noch mehr auf dem Programm. Denn nach dem Spiel sollte es weiter zur Party gehen und deshalb musste ihr Kleid heute wie angegossen sitzen. Die Auswahl fiel ihr schwer, schließlich gehörte sie zu den jungen Frauen, die viele Klamotten besitzen. Aber mithilfe ihrer Freundin Emily fand sie das passende Kleid: „Sitzt, passt, wackelt, hat Luft. Hannah, du siehst super aus.“

Nachdem sie schließlich ihre Sitzplätze in der Arena eingenommen hatten, erzählte Emily Hannah noch von einem besonderen Erlebnis. Sie war vor kurzem zum ersten Mal Zuschauerin bei einem Sitzvolleyball-Spiel. „Hannah, die nennen das Sitzen, aber da ist richtig Bewegung drin!“ – „Apropos Bewegung, ich bin schon so heiß auf die Party! Da bleibt hoffentlich keiner sitzen.“