Gerade wurde wieder das sogenannte Jugendwort des Jahres gekürt. Doch wir sollten uns nicht darüber den Kopf zerbrechen, wie Jugendliche angeblich reden, und die Wahl zu Recht seltsam finden. Es ist viel interessanter, die Frage, wie Menschen miteinander sprechen, aus einer weiteren Perspektive zu betrachten. Schauen wir mal auf Dialekte, Soziolekte und andere Lekte.
Das Jugendwort ist cringe
Die Wahl zum Jugendwort gilt schon lange als reine Werbeaktion des veranstaltenden Verlags. Immer wieder gibt es die berechtigen Vorwürfe, dass die siegreichen Wörter völlig unbekannt sind und nicht benutzt werden. Fast so, als hätte der Verlag sie selbst erfunden. Das aktuelle Siegerwort habe ich ausnahmsweise schon mal gehört. Trotzdem bleibt das ganze Thema selbst cringe, wie es eine Spiegel-Kommentatorin und eine Tagesschau-Sprecherin gut auf den Punkt bringen.
Soziolekte und Sondersprachen
Sprachwissenschaftlich betrachtet ist die Jugendsprache ein Beispiel für einen Soziolekt oder genauer eine Sondersprache. Als Soziolekte bezeichnet man sprachliche Merkmale, durch die sich eine gesellschaftliche Gruppe auszeichnet. Zu der Gruppe der Sondersprachen gehören die sogenannten Gaunersprachen wie Rotwelsch und die Ausdrucksweisen von Schülern und Studenten. Zwischen Soziolekt und Funktiolekt schwanken die Berufssprachen. So sprechen Mediziner untereinander beispielsweise anders als Informatiker oder Bauarbeiter. Wir können auch typisches Behördendeutsch und wissenschaftliche Formulierungen identifizieren.
Gesellschaftliche Unterschiede in der Sprache kann man außerdem erkennen, wenn man Menschen aus unterschiedlichen Schichten vergleicht. Das berühmteste Beispiel ist die Kaufhausstudie des amerikanischen Soziolinguisten William Labov. Der Forscher besuchte Kaufhäuser mehrerer Preisklassen in New York und beschäftigte sich mit der unterschiedlichen Aussprache des Buchstaben R.
Regiolekte zwischen Dialekt und Hochdeutsch
Wie man spricht, hängt natürlich auch davon ab, wo man lebt. Schon sind wir beim Thema Dialekte. Dazu habe ich schon einen Beitrag geschrieben. Heutzutage sprechen immer mehr weniger Menschen einen ganz deutlichen, ausgeprägten Dialekt. Die Standardvarietät des Deutschen, besser bekannt als Hochdeutsch, und die Dialekte verschmelzen immer mehr. Diese Zwischenstufe bezeichnet man auch als Regiolekt. Beispiele sind die groben Einteilung des Rheinischen und das Ruhrdeutsch, also die Sprache im Ruhrgebiet.
Also lasst uns den Menschen nicht (wie im Fall des Jugendwortes) nachsagen, wie sie reden. Lasst uns lieber beobachten und analysieren, welche ebenso vielfältigen wie interessanten Unterschiede es im Sprachgebrauch wirklich gibt. Um es mit dem berühmten Zitat von Martin Luther zu sagen: „dem Volk aufs Maul schauen“.