Wenn man sich ansieht, wie derzeit aktuellen Corona-Krise kommuniziert wird, stellt man fest, dass mit zunehmender Dauer auch eine Krise der Kommunikation entsteht. Dabei wäre es gerade jetzt besonders wichtig, alles was wir in dieser schwierigen Zeit erleben, vernünftig zu erklären.
Nehmen wir zum Auftakt mal ein aktuelles Beispiel aus meiner Heimat Nordrhein-Westfalen. Nach den Beratungen zwischen Bundesregierungen und Ländern schreibt die NRW-Schulministerin am Donnerstag im Laufe des Tages eine Mail an die Schulen. Demnach sollten in einigen Tagen alle Grundschüler abwechselnd in die Schule zurückkehren dürfen. Am Abend trat der Ministerpräsident auf und widersprach dieser offiziellen Mail. Da sei noch gar nichts entschieden, hieß es plötzlich. Ja, was denn nun?
Gleiche Töne statt vernünftige Erklärungen
Es ist ein Beispiel von vielen in diesen ungewöhnlichen Wochen. Allgemein zeigt sich, dass Erklären nicht die große Stärke oder zumindest nicht die Lieblingsbeschäftigung unserer Politiker ist. Als im März die Einschränkungen des öffentlichen Lebens mit Kontaktbeschränkungen etc. begannen, sprachen die Politiker davon, dass das Virus gefährlich ist, dass sich alle an die Regeln halten müssen und dass die Ausbreitung verlangsamt werden muss. Soweit war das natürlich richtig. Das Problem ist nur, dass die Aussagen der Politiker jetzt, nach einigen Wochen mit diversen Maßnahmen, nahezu identisch sind. Wie bei einer kaputten Schallplatte erklingen immer die gleichen Töne in Dauerschleife.
Es wird beispielsweise nicht erklärt, …
- warum bestimmte Maßnahmen wie die Kontaktbeschränkung fortgesetzt werden.
- wie sich die Krise aus medizinischer Sicht entwickelt.
- wieso alle von nötigem Abstand reden, aber zunächst nur kleine Geschäfte mit wenig Fläche (in einer willkürlich gewählten Größenordnung) öffnen dürfen.
- weshalb man sich zuerst um Zoos statt Gastronomie und Tourismus kümmert.
- warum mehr über die Hilfen für die reiche Fußball-Bundesliga als über Unterstützung kleinerer Vereine und Sportarten gesprochen wird.
- wie die Wiederaufnahme des Schulbetriebs funktionieren soll.
Das sind nur einige mögliche Themen, bei denen die Politiker viel mehr erklären und besser kommunizieren müssten. Schließlich leben wir glücklicherweise nicht in einer Diktatur, wo einfach irgendwas entschieden wird, sondern in einem demokratischen Land, das vom Austausch und der Zusammenarbeit zwischen den Menschen lebt.
Die Vorteile des Erklärens
Wer etwas nachvollziehbar erklärt, sorgt dafür, dass der andere die Entscheidungen besser versteht. Er zeigt, dass er sich Gedanken zu dem Thema gemacht und unterschiedliche Argumente abgewogen hat, um zu einer möglichst sinnvollen und vernünftigen Entscheidung zu kommen. Diese Entscheidung kann man dann auch besser akzeptieren. Wer eine gute Erklärung liefert, hilft seinem Gegenüber und zeigt Interesse an einem guten, friedlichen Miteinander. Immer wieder aufs Neue seine Entscheidungen zu erklären und gegenseitiges Verständnis zu erzeugen, verhindert unnötigen Streit.
Erklärungen aus den Medien
Das Erklären übernehmen statt der Politiker derzeit vor allem die Medien, egal ob Zeitung, Fernsehen oder Online-Medien. Sofern man sich auf seriöse Quellen beschränkt, erhält man hier die Informationen zum Unterschied zwischen Corona und Covid19, zu Reproduktionszahlen, zum Ablauf der Infektionen, zu den konkreten Auswirkungen auf verschiedene Berufsgruppen und vielem mehr. Auch Anleitungen im DIY-Stil, beispielsweise zum Haareschneiden, zum Fitnesstraining daheim oder zum Basteln von Masken, erfreuen sich großer Beliebtheit.
In der Bildung besonders wichtig
Besonders wichtig ist das Erklären natürlich bei der Bildung. Da ist es fatal, dass ausgerechnet in diesem politischen Bereich gerade das größte Chaos herrscht (siehe oben). Wir diskutieren derzeit über Möglichkeiten des digitalen Lernens. Es ist auf jeden Fall wichtig, die Digitalisierung an den Schulen voranzutreiben. Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen, wie wichtig die Lehrer sind – und zwar nicht Lehrer auf dem Bildschirm, sondern als reale Person, die den Schülern vor Ort hilft. Man kann auf digitalen Weg Lehrmaterial verbreiten und auch ein paar Aufgaben stellen. Aber Dinge genauer erklären und Zusammenhänge zeigen, funktioniert vor allem bei jüngeren Schülern nur im persönlichen Austausch.
Natürliche Neugier
Schon bevor sie in die Schule kommen, stellen kleine Kinder unendlich viele Fragen. Kaum ein anderes Wort ist für sie so wichtig wie das Fragewort Warum. Oder um es mit der Sesamstraße zu sagen: „Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm.“ Diese natürliche Neugier, die anfangs in uns allen steckt, müssen wir uns bewahren und wir müssen die Antworten dazu liefern. Entdecker, Wissenschaftler und jeder andere Menschen, der mit offenen Augen durch die Welt geht, tut dies.